EQUALITY Newsletter Januar 2021
Im letzten Frühjahr habe ich in einem Newsletter auf die Möglichkeit eines kostenlosen Video-Coachings für die Monate März und April 2020 hingewiesen. Es wurde sehr gut angenommen und gab mir die Möglichkeit, Lernerfahrungen über diese Form der Arbeit zu sammeln. In einem der Gespräche wurde ich zu meiner Einschätzung zur Dauer dieser Pandemie gefragt und woher ich auch immer diese Gewissheit nahm, sagte ich: Corona ist kein Sprint, Corona wird uns in der Langstreckendisziplin fordern...
Nun, fast ein Jahr später, hat sich meine Einschätzung bestätigt und ich gehe noch weiter: Wir werden ein Leben wie vor Corona nicht mehr bekommen.
Immer wieder wird gesagt, dass dieses kollektive Erleben durch die Pandemie wie ein Brennglas auf unsere wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Probleme zeigt. Alle unsere Versäumnisse der Vergangenheit werden sichtbar. Im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich und in den Auswirkungen der starken Individualisierung unserer Gesellschaft zeigt sich, dass man mit Egoismen und Eitelkeiten diese Krise nicht meistern kann.
Erfolgreich sind nun Menschen, die ihre Veränderungskompetenz und Kreativität geschult haben. Besonnen bleiben die, die sich auf die Ressourcen konzentrieren und nicht auf die Verluste. Die Menschen, denen es gelingt, in den Einschränkungen positive Momente wahrzunehmen, die sich Zeit nehmen für Naturerfahrungen und die über ein Netzwerk verfügen, in dem Empathie, Verständnis, Zuversicht und Lösungsorientierung wichtige Werte sind, kommen besser durch diese Krise.
Auch meine Arbeit hat sich im letzten Jahr enorm verändert. Ich kann zurzeit keine Gruppencoachings anbieten, es finden keine Workshops statt und die Beratungsprozesse, in denen ich in Organisationen hilfreich zur Seite stehe, verlagern sich auf Online-Konferenzen und Einzelgespräche. Für mich als „Gruppenfrau“ ist das ein enormer Verlust. Die dafür passenden Kommunikationsformen zu finden, fordert meine Kreativität und verlangt eine vertrauensvolle Kommunikation mit Ihnen, meinen Kunden.
Ich freue mich natürlich darauf, Sie wieder hier in unseren schönen Räumen begrüßen zu können und mir wird jeden Tag deutlich, wie sehr ich meine frühere Arbeitsform vermisse, auch weil ich von der Wirksamkeit der interaktiven Gruppen nach wie vor überzeugt bin.
Diese Vorfreude setzt enorme Energie frei, weil diese Verluste mir zeigen, was mir wirklich wichtig ist und wovon ich überzeugt bin.
Die Arbeit in den Video-Chats hat natürlich Lücken. Die Interaktionen unter den Gruppenmitgliedern, die mir ein wichtiges Wahrnehmungsmerkmal sind, können zwar über Video-Chats kaum abgebildet werden, aber dennoch entsteht Vertrauen und eine Kontinuität in den Arbeitsbeziehungen.
Ich taste mich täglich an die alte Qualität meiner Arbeit heran. Vieles gelingt! Ich bin aber beständig im Lernen und freue mich, dass ich kaum Widerstände gegen diese neue Form der Arbeit aufbaue, sondern eher eine suchende Haltung einnehme.
Diese suchende Haltung, das Denken und Handeln ins Ungewisse, wird uns alle noch länger begleiten.
Mit den Gedanken und Tools aus dem Presencing von Otto Scharmer haben wir ermutigende Ansätze zum Erspüren einer sich abzeichnenden Zukunft. Was wir dazu brauchen, ist die Öffnung des Willens, des Fühlens und des Denkens.
Der erste Impuls bei Angst ist meist die Verschließung, die kurze Lösung, der reaktive Moment. Auf Sicht fahren ist eine gute Methode, um durch den Nebel zu kommen, dennoch dürfen wir unsere Aufmerksamkeit nicht nur auf die zu erwartende Gefahr setzen, sondern sollten die Parallelprozesse im Blick behalten. Das heißt, während man auf Sicht fährt, muss auch das Umfeld betrachtet und die Reaktionen im Blick behalten werden.
Das ist es, was Sie nun in den Organisationen vollziehen müssen: Stimmungsmanagement ins Homeoffice hinein, Gruppenerlebnisse erzeugen, Verbundenheit abbilden und Zuversicht ausstrahlen. Wir können uns zurzeit nicht nur um die Arbeitserledigungen kümmern, sondern müssen auch die Erfahrungen sammeln, die wir mit dieser neuen Form der Arbeitsvereinsamung erleben. An dem Gelingen dieser Fürsorge wird sich der langfristige Erfolg von Führungskräften messen lassen müssen.
Auch hier wirkt Corona wie ein Brennglas. Die resilienten Menschen kommen mit ihrer Form der Selbstorganisation relativ gut durch diese Zeit. Aber die Menschen, denen es bisher nicht gelungen ist, sich zu strukturieren, die ängstlicher sind, gewöhnen sich unter Umständen Arbeitsweisen an, die sie nach dem Lockdown mühsam wieder einfangen müssen.
Ich empfehle hier Achtsamkeit und Sozialpflege.
Zum Veränderungslernen habe ich neulich von einer Freundin ein schönes Gedicht von R. M. Rilke vorgetragen bekommen:
Solang du Selbstgeworfnes fängst, ist alles
Geschicklichkeit und läßlicher Gewinn -;
erst wenn du plötzlich Fänger wirst des Balles,
den eine ewige Mit-Spielerin
dir zuwarf, deiner Mitte, in genau
gekonntem Schwung, in einem jener Bögen
aus Gottes großem Brücken-Bau:
erst dann ist Fangen-Können ein Vermögen, -
nicht deines, einer Welt. Und wenn du gar
zurückzuwerfen Kraft und Mut besäßest,
nein, wunderbarer: Mut und Kraft vergäßest
und schon geworfen hättest..... (wie das Jahr
die Vögel wirft, die Wandervogelschwärme,
die eine ältre einer jungen Wärme
hinüberschleudert über Meere -) erst
in diesem Wagnis spielst du gültig mit.
Erleichterst dir den Wurf nicht mehr; erschwerst
dir ihn nicht mehr. Aus deinen Händen tritt
das Meteor und rast in seine Räume...
Wir haben die Herausforderungen durch die Pandemie nicht „selbstgeworfen“, sie wurde uns vom Leben zugemutet und nun zeigt sich, ob wir auch die Prozesse bewältigen, die wir uns nicht ausgesucht haben, die wir nicht kontrollieren können, sondern die wir gestalten müssen. Oder besser noch, denen wir offenen Geistes begegnen sollten, um dann Verbesserungsmöglichkeiten aufzuspüren, Ideen zu entwickeln und somit langsam in Antworten hineinzuwachsen.
Zur eigenen Beruhigung hilft dabei die einfache Frage jeden Abend: War ich heute ein guter Mensch und habe ich alles getan, was in meiner Macht steht, um mich und die Menschen um mich herum wahrzunehmen, zu schützen und zu unterstützen?
Ich konzentriere mich jeden Abend auf das Gelungene und nehme mir dafür auch Zeit, das lässt mich zuversichtlich sein, denn auch wenn wir zurzeit einiges nicht gestalten können, bleibt doch noch eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Kontakte zu pflegen, Briefe zu schreiben und Ideen zu entwickeln.
Wir bieten zurzeit keine Gruppenweiterbildungen und offenen Seminare an, das kann sich aber im nächsten Monat schon ändern. Es schwebt mir vor, einen Gruppenchat für Führungskräfte anzubieten, in dem Sie sich über Ihre Erfahrungen in unterschiedlichen Organisationen austauschen können. Haben sie Interesse teilzunehmen? Lassen Sie es uns wissen! Sie können jedoch auch Coachings buchen oder Beratungen mit Teams über Facetime, webex, Skype usw. Bestimmen Sie gern die Platform, mit denen Ihr Haus arbeitet.
Bleiben Sie uns gewogen, wir freuen uns auf Sie!